DRACHE - Majestät oder Monster
Volkskundemuseum.at, vienna
29.2. - 21.5.2000
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Der Drache,
das jahrhundertealte europäische Monster
In Europa galten Drachen fast ausnahmslos als gefährliche unheilbringende Wesen. Im populären Glauben werden unter dieser Bezeichnung eine Reihe von dämonenartigen Untieren zusammengefaßt, die schwer auf eine gemeinsame Wurzel zurückgeführt werden können:
Der Drache spielt in den Mythologien und Sagen vieler Kulturen eine Rolle. Er gilt als ein wichtiger Bestandteil der hebräischen und babylonischen Weltschöpfungsmythen. In der antiken Naturgeschichtsschreibung wird der Drache als ein reales Wesen angesehen. Das Drachenbild, das die Griechen an die Römer weitergaben, skizziert bereits seine wichtigsten Charakteristika: ein landverheerendes, menschenverschlingendes und jungfrauenraubendes Monster, von schlangenförmigem Körper, oft mit Fledermausflügeln ausgestattet, dessen Kraft im Schwanz steckt. Berühmte Philosophen der Antike wie Plinius verfestigten den Drachenglauben durch die Beschreibung von magisch-organotherapeutischen Verwendungsmöglichkeiten von Teilen des Drachenkörpers. Mit dem Christentum und angesichts der eindrucksvollen Drachenfeldzeichen der Römer gelangte der Glaube an Drachen in den mittel- und nordeuropäischen Raum. Im achten Jahrhundert tauchte das Monster in der germanischen Mythologie auf.
Durch das Studium antiker Schriften formte sich ein ähnliches Bild vom Drachen in den mittelalterlichen Klöstern. Frühe Darstellungen zeigen den feuerspeienden Drachen, der zu Wasser, Erde und Luft Schrecken verbreitet, zweibeinig, langschwänzig und mehrköpfig. In der Kenntnis fremder Tiere wie Krokodile und Flugeidechsen wandelt das Monster sich seit dem Spätmittelalter zu einem echsenförmigen und mit Schuppen bedeckten Kriechtier. Als ein, das Böse abwehrendes Symbol ist der Drache in der mittelalterlichen Bauplastik zu finden. In der Buchmalerei verkörpert er, basierend auf seiner Rolle in der Apokalypse des Johannes, gottfeindliche Kräfte. Als Symbol der Stärke ziert der Drache die Kampfschiffe der Wikinger sowie Waffen in der Zeit des Rittertums bis in das 20.Jahrhundert.
Das mittelalterliche Bild hielt sich, genährt durch Fossilienfunde, bis in die Neuzeit. Der Naturforscher Konrad Gesner widmete den Drachen in seinem Schlangenbuch von 1598 noch ein umfassendes Kapitel. Mit der Aufklärung begann der Glaube an Drachen zu wanken. Doch die Existenz der zur Drachengattung gehörenden alpinen Tatzelwürmer, wurde noch im 20.Jahrhundert in naturkundlichen Schriften diskutiert.
Mit dem anbrechenden 21.Jahrhundert scheint die Zeit vorbei zu sein, in der sich die Menschen vor Dämonen in Gestalt von furchtbaren Drachen bedroht fühlen.
fig: Schattenspielfigur "Drachenkönig"; Foto: Elisabeth Truxa - Österr. Museum für Volkskunde