NEW YORK, NEW YORK
It is my town, and it always will be. (Woody Allen)

http://www.filmmuseum.at

1. November bis 16. Dezember 2001

foto: Taxi Driver

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Nicht wenige der Filme haben dazu beigetragen, im Bewußtsein Bilder entstehen zu lassen, die New York kollektiv und inbegrifflich repräsentieren. King Kong auf der Spitze des Empire State Building im Kampf mit den Flugzeugen: Pop-Ikone für den Konflikt Wildnis versus Zivilisation. Eine andere Ikone, nicht minder populär: Marilyn Monroe, die sich über dem Lüftungsschacht der Subway in der Großstadtsommernacht Kühlung verschafft. Eros plus Metropolis hoch vier. Oder die Fackel der Statue of Liberty, steingewordenes Monument der US-Demokratie, als Ort des finalen Show Down zwischen Bürger und Terrorist. Oder Robert De Niro als neurotische Gallionsfigur der Einsamkeit im gelben Gefängnis seines Taxis, das durch die physische und metaphysische Dunkelheit der Mega-City kreist. Alle Filme, aus denen diese archetypischen Bilder stammen, sind im Rahmen der Retrospektive NEW YORK, NEW YORK zu sehen: Schoedsacks KING KONG, Wilders THE SEVEN YEAR ITCH, Hitchcocks SABOTEUR, Scorseses TAXI DRIVER.


Der amerikanische Film wächst an der Westcoast heran. Tausende frühe US-Kinostücke spielen in NEW YORK, werden aber in Hollywood gedreht: die Stadt der Städte im Osten bleibt Studio-Rekonstruktion. Erst in den dreißiger und vierziger Jahren werden Sequenzen oder ganze Filme on location in N.Y. gefertigt, was allerdings noch Ausnahme bleibt. Die fifties bringen die Wende: New York in Hollywoodfilmen ist zumeist das reale New York. Am Ende des Jahrzehnts entsteht die School of New York, die erste vehemente Off-Hollywood-Welle mit dokumentarischem Touch, Laien-Schauspielern, Handkamera und lichtempfindlichem Material. Schönster Ausdruck dieser Bewegung: SHADOWS, John Cassavetes' Debut aus dem Jahr 1960 mit der Musik von Carles Mingus. Dreizehn Jahre später ein neuerlicher Schub. Martin Scorsese synthetisiert die Ästhetik des klassischen Hollywoodkinos mit unerhört spontaner, improvisierter Dynamik. MEAN STREETS löst 1973 eine Lawine aus und dies nicht nur in Amerika: Filme, befallen vom Großstadtfieber - Gewalt, Verzweiflung, Isolation, Ohnmacht im anonymen Labyrinth von Big Biz und Big Crime. Auf den Free Jazz von MEAN STREETS folgen enigmatische Neubestimmungen des cineastischen Cool Jazz und clevere Mutationen des filmischen Third Stream in dem mit New York befaßten Kino. Etwa Jim Jarmusch' aufregend ungeglätteter Erstling PERMANENT VACATIONS oder THE HUDSUCKER PROXY, postmoderne Koketterie der Coen-Brothers mit Themen der klassischen Hollywood-Screwball-Comedy.

Kaum ein Genre des US-Kinos, das nicht in und über den Straßenschluchten des Big Apple duchexerziert wurde und in der Retrospektive NEW YORK, NEW YORK vertreten wäre: Slapstick (The IMMIGRANT von Chaplin), Screwball Comedy (Frank Capras MR. DEEDS GOES TO TOWN), romantische Komödie (Leo McCareys LOVE AFFAIR und AN AFFAIR TO REMEMBER, Blake Edwards BREAKFAST AT TIFFANY'S), Backstage-Musical (Lloyd Bacons 42nd STREET), modernes On-location-Musical (Stanley Donens ON THE TOWN, Robert Wises WEST SIDE STORY), phantastischer Film (Polanskis ROSEMARY'S BABY), Film Noir (Jules Dassins halbdokumentarisches THE NAKED CITY), Chase-Thriller (Don Siegels COOGAN'S BLUFF), Gangsterfilm (Sergio Leones ONCE UPON A TIME IN AMERICA), Melodram (A TREE GROWS IN BROOKLYN von Elia Kazan), sozialkritisches Drama (Oliver Stones WALL STREET), Kostümfilm (Wylers THE HEIRESS, Scorseses TIME OF INNOCENCE). Längstens seit den späten fifties und den Arbeiten der New Yorker Schule beginnt sich indessen die Hollywood-Kategorie "Genrefilm" aufzulösen. Autorenfilme wie Kazans AMERICA AMERICA, Scorseses TAXI DRIVER, Woody Allens MANHATTAN oder Spike Lees DO THE RIGHT THING haben den normierten US-Kinofilm aufgebrochen und ihm eine neue vitale Freiheit verliehen.

NEW YORK, NEW YORK ist zum einen amerikanische Kinogeschichte des 20. Jahrhunderts aus der Perspektive des Big Apple, zum anderen eine Film-Exkursion durch das Universum einer Stadt - Stadt der Emigranten, der ethnischen Vielfalt, der sozialen Kontradiktionen, Stadt der Bürger und Street Gangs, des Show Biz und der Banker, der Juden, Italiener, Latinos, Schwarzen und Asiaten der WASP und Hobos, Geldaristokraten und Bums, Cops und Robbers, Yuppies und Jazzers, Stadtneurotiker und Eggheads. NEW YORK, NEW YORK: ein Kinospaziergang


mit den Stationen West Side, Brooklyn, Bronx, The Bowery, Little Italy, Broadway, Wall Street District, Greenwich Village, Lower und Upper East Side, Central Park und Waterfront, Coney Island, Liberty Island, Ellis Island.

In Kazans AMERICA, AMERICA existiert New York vier Fünftel lang nur in der Sehnsucht des Protagonisten. In TAXI DRIVER ist New York ein Mittelding von Morast und Purgatorium, bei Leo Mc Carey und Blake Edwards The Most Sophisticated Town in the World, bei Jarmusch ein Labyrinth aus Verfall und Melancholie. In ON THE TOWN, dem ersten Musical, das an realen Drehorten entsteht, kommen drei Seeleute mit dem Aussehen von Gene Kelly, Frank Sinatra und Jules Munshin am Morgen an Land, breiten verzückt die Arme aus, um in einer Explosion von Enthusiasmus eine Hymne auf die Stadt, die sie betreten, zu singen: "New York, New York, what a wonderful town!" Und in Woody Allens MANHATTAN, in der die Skyline in wide-screen gleichsam wie im Triumph von Gershwins Rhapsody in Blue umwogt wird, führt der kleine, traurige New-York-Liebhaber W.A. den sechsmal variierten ersten Satz seines Romans von der anfänglichen Wendung "He adored New York" zu dessen finaler Form, die alles besagt, was sein Autor über die Stadt zu sagen wünscht: "New York was his town, and it always would be."

Die Retrospektive wird ergänzt durch einen der schönsten Avantgardefilme, die in und um New York entstanden sind: HE STANDS IN A DESERT COUNTING THE SECONDS OF HIS LIVE, Opus Magnum von Jonas Mekas, flackernde Kompilierung von Tagebuchfilmen, deren enthusiastische Hinwendung gleichermaßen Personen aus der Kunstszene New Yorks, Orten der Stadt, Stimmungen und Alltagsereignissen gilt. Die Metropole in einem über Stunden währenden wunderbaren Filmbewußtseinsstrom.

NEW YORK, NEW YORK wird vom 1. November bis 16. Dezember 2001 im Österreichischen Filmmuseum im Gebäude der Albertina - Augustinerstr. 1, 1010 Wien - in zwei Teilen gezeigt. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage http://www.filmmuseum.at