Er-Ich
„Kommst Du zur Kopfmassage?“
Es war an einem Oktobernachmittag in der Innenstadt von Wien; Griechengasse 7, Hausflur.
Da ist sie, die Tür zu Er-Ich´s Haarsalon. Hier ist alles bunt, die Einrichtung, die Bilder, die Stühle, die Menschen - und wie viele bekannte Gesichter! Gebel, uns allen aus durchtanzten Nächten bekannt, läßt sein Haupthaar modellieren, Atil Kutoglu und Georg Liebler werden gesichtet und viele mehr, die zu Wien gehören wie der Stephansdom und das Riesenrad. Dazwischen, urgemütlich, Er-Ich die Haare schneidend und mit dem Kunden plaudernd.
Das ist kein normaler Friseur, zu dem man oder frau hingeht, weil die Haare gekürzt werden müssen, hier ist es wie in einem angenehmen Lokal, um Freunde zu treffen und zu plaudern. Seine Mitarbeiter führt er ohne autoritäres Gehabe. Er, der sich selber nicht in starren Strukturen zurechtgefunden hat, erwartet von ihnen nicht mehr als er vermochte.
Ich muß noch ein bißchen warten, bis Er-Ich mit dem Kunden zu Ende geplaudert hat. In der Zwischenzeit werde ich von seinen Mitarbeitern verköstigt, plaudere mit Marius, dem Mädchen für alles, schaue mir die Fotos an den Wänden an - Er-Ich mit den Lugner´s, Er-ich mit Schimanko, Er-Ich mit Heller, Er-Ich mit der halben Welt, ein Autogramm von Madonna,...............
Das Interview beginnt! Wir ziehen uns in einen Raum zurück, der weniger mit der Klangkulisse von Haarschneidemaschinen und Musik erfüllt ist.
Er-Ich, ein Handwerker der Mode. Er stellt die Gesinnung des Menschen am Kopf dar. Aber nicht das Haarschneiden steht alleine an der Spitze seiner Kunst - es ist die Kunst des Einfühlungsvermögens für den Kunden und seiner Bedürfnisse. Er ist nicht der Friseur, vor dem wir uns alle fürchten, der einfach macht was er will - hier können Sie sich Ihre Wunschfrisur gestalten lassen. Das Vermögen Er-Ich´s ist das Gefühl für ästhetische Formen und die adäquate Darstellung der Persönlichkeit mittels Frisur.
Der seit 1988 bestehende Salon ist nicht sein einziger Arbeitsort. Wie auch sein ganzes Team ist er nebenbei in der Film- und Werbebranche tätig. Haar-Styling für Yamamoto, Ausstattung von Kabaretts, usw. Und Er-Ich ist auch Lomograf: Seine Fotos wurden zuletzt anläßlich der 1000 Jahre Österreich-Ausstellung im September 1996 in Bonn einem großen Publikum vorgestellt. Er-Ich kennt keine Grenzen.
Was trägt Er-Ich?
Er hat genaue Vorstellungen von den Dingen die er trägt. Seine Kleidung läßt er nach seinen Entwürfen schneidern. Die zum Interview getragene Lederjacke wurde von Georg & Sabrina Liebler angefertigt. Bezüglich Farben favorisiert er Rot oder Blau. Leinen ist ihm das liebste Material.
Auf die Frage, was er am liebsten machen würde, wenn er nicht diesen Beruf ausüben könnte, antwortet er: “Die Herzblatt-Sendung moderieren.“
Seine Mode-Kristallkugel zeigt ihm ein Bild von einer Welt mit Menschen in Streetwear. In seiner Vision wird Mode nicht von großen Konzernen gemacht, sondern kommt gänzlich von der Straße. Funktionalität, Bequemlichkeit sind Schlagworte, mit denen er die zukünftige Mode umschreibt.
Die österreichischen Mode hat es seiner Meinung nach in Zukunft schwer am Markt zu reüssieren. Grund ist die Mentalität und Geschichte der Österreicher. Außer den Trachten, dem Steireranzug ist aus Österreich international nicht viel bekannt geworden - vielleicht noch die Nähmaschine; aber dann hört es sich auf. Der Österreicher ist zu sehr dem Traditionellen verbunden und läßt zu selten Neues zu. Seine These vom Prozeß der Anfeindung zur totalen Anpassung mit vollkommener Selbstverständlichkeit erklärt er mit der Übernahme der Jeans, Tennisschuhe und Lederjacke in den 50er Jahren, die ihn damals als „Klettermaxe“ auszeichneten.
Es stellt sich heraus, daß Er-Ich ein sehr bewußter Rezipient der Modegeschichte ist. Sein Anliegen ist vor allem, daß sich Menschen, die mit Mode zu tun haben, über die Geschichte der Kleidung informieren.
Sein Tip an junge Leute, die sich für diesen Beruf entscheiden:
Es ist wichtig, sich für Menschen zu interessieren, nicht einfach nur Haare schneiden, sondern lernen sich mit den verschiedensten Persönlichkeiten auseinanderzusetzen.
Den Fashion Navigator im Internet hält er für eine gute Sache.
Er-Ich
Tel. +43 1 5356677
Der Fashion Navigator dankt für das Interview!
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