"Kleidung hat mit Bewegung in der Zeit zu tun"
Foto: Udo Titz
für Ahead 4/96
In Japan als „Eduina Horu“ (es ist den Japanern nicht möglich zwei Konsonanten nebeneinander auszusprechen) zwei Jahre im Atelier Yohji Yamamoto tätig, hat sie in den letzten Jahren durch ihre Kreationen immer wieder Aufsehen erregt.
Zunächst nach der Matura als Sonderschulpädagogin insbesondere im Bereich künstlerische Tätigkeit für Schwerstbehinderte ausgebildet, hat sie es sehr bald gänzlich zum Modedesign hingezogen. Die 32-jährige Salzburgerin ist als Tochter einer Schneiderin dem Handwerk seit frühester Jugend eng verbunden. Aus dem Stricken für Puppen entstand die Arbeit an der eigenen Kleidung. Initialzündung war, daß der Markt für sie keine Gewänder bot, die zu ihr paßten. Bestärkt durch Rückmeldungen aus dem Bekanntenkreis, wendete sie sich immer mehr dem Schaffen von Mode zu.
Ihre Kleiderkonzepte sind bereits in der Jugend entstanden. Das spielerische Umgehen und das Aufbrechen der traditionellen Kleidercodes ist der jungen Hörl schon im Alter von 15 Jahren ein Anliegen. Sie erinnert sich an ein Stück, einen Rock, der aus zwei übereinander liegenden Schürzen mit einem zusätzlichen Rock darunter von ihr in Jugendjahren gefertigt wurde. Die Technik des Umgangs mit Kleidung hat sie bis heute verfeinert: Röcke über Hosen, Kleid und Rock übereinander, die Abmischung traditioneller Kleidung verschiedener Länder wie zum Beispiel die Volkstracht Chinas kombiniert mit einer Gabardine-Hose und die Abmischung verschiedenster Elemente sind das Markenzeichens Edwina Hörl´s und liegen damit ganz im Trend der Zeit - die Globalisierung, Multikulturalität der heutigen Gesellschaft bringt sie mit ihrer Kleidung zum Ausdruck.
Kleidung ist für Edwina Hörl ein Mittel des Bewegens in der Zeit. Die Neuformulierung des ästhetischen Bildes, die Reformierung der gewohnten Sichtweisen sind ihr, die nichts so sehr haßt wie alles „Glatte“, Herkömmliche, das größte Anliegen. Die Auswahl der einzelnen Kategorien der Kleidung ist das wichtigste Element im ästhetischen Prozeß Edwina Hörl´s.
Und bequem muß die Mode sein - wenn auch ein enges Armloch darf es nicht einengen. Dazu verwendet sie ausgefeilte Schnittechniken, an denen so lange gearbeitet wird, bis sie der Designerin am eigenen Körper angenehm und komfortabel erscheinen.Das Gefühl der Kleidung am Körper steht im Mittelpunkt ihrer Technik.
Kleidung ist für sie ein Signal an andere, die sich dadurch in gewisse Gesellschaftssysteme ein- oder auch ausgliedern. Diese Kleidersprache ist erlernt und wird weiterhin praktiziert. Damit wird die Kontaktaufnahme zu anderen schon vor des mündlichen Gesprächs sozusagen gefiltert und es werden über Kleidung die ausgesucht, mit denen in der Folge kommuniziert wird. Die Kommunikation mittels Kleidung wird ihrer Meinung nach weiter steigen und damit die Funktion der Kleidung seine eigene Individualität zu präsentieren.
1989 ist das entscheidende Jahr: im Rahmen der Salzburger Ausstellung „Fremdgehen“ präsentiert sie ihre erste Kollektion. Mit den daraus entstandenen Modeschau-Fotos reichte sie beim zuständigen Ministerium für Kunst und Wissenschaft ein und erhielt den ersten österr. Förderpreis für Mode. Die Jurymitgliedern waren dermaßen von ihrer Kollektion angetan, daß Francois Burkhard sie an Yohji Yamamoto vermittelte. Dort werkte sie zwei Jahre und vervollkommnete ihr Talent.
Die heimische Textilbranche hat wohl bislang keine Kooperationsangebote an die Salzburgerin gestellt, jedoch blickt Edwina Hörl einer Zusammenarbeit positiv entgegen.
Die Kritik an der Mechanik der Modebranche wendet sie vor allem gegen das Verständnis der Öffentlichkeit gegenüber der Arbeit des Designers. Zunächst hat Modebranche nichts mit dem chicen Geschäft zwischen Models und Hochglanzseiten zu tun, sondern ist harte Arbeit, die kaum Privatleben zuläßt sowie immense Investitionen in Material und Arbeitszeit erfordert, die meist über die Grenzen des Kapitals des Designers reichen. Daß der Erfolg einlangt, ist nicht so sehr eine Sache des Könnens des Designers, sondern hängt zumeist mit Glück zusammen.
Edwina Hörl´s Tip an junge Modedesigner: entweder viel Geld haben oder unheimlich zäh sein; an der eigenen Aussage arbeiten und den persönlichen Stil ausarbeiten.
Die Zukunft der Modebranche sieht sie in der Produktion von hochwertigen Modellen, die nicht nach einer Saison untragbar, sowohl Materialverschleiß als auch Design betreffend, sind - die Variabilität der Kleidung ist eine weitere Vision der Modedesignerin. Darunter versteht sie die Emanzipation der Käufer von vorgefertigten Kleiderwelten der großen Designer, hin zu individuell gestalteten Kleidercodes durch den Träger. Hier sind auch die allgemein geltenden Trends angesprochen, die für Edwina Hörl´s Arbeiten nur peripher verantwortlich sind.
Die Chancen für die österreichische Textilwirtschaft sind vor allem für Hörl in der Qualität zu suchen. Trachtenstoffe sind in Japan bekannt und beliebt; aber Tracht alleine kann es nicht sein. Die Zusammenarbeit der einzelnen Stufen der Textilwirtschaft stehen an der Spitze der Möglichkeiten, um mit Produkten am Weltmarkt reüssieren zu können. Die Kreation neuer Materialien in neuem Design, die neben der Tracht zu einem markanten Zeichen für Österreich werden.
Was zieht Edwina Hörl gerne selber an?
Auf Lieblingfarben oder Materialien möchte sich die Designerin nicht beschränken. Nur „Waldgrün“ darf es nicht sein. Jedes andere Grün, aber nicht dieses. (Anm. des Interviewers: Zum Interview trug sie ungefähr vier verschiedene Grüns in ihrer Kleidung - auf die Frage, weshalb sie so viel Grün trägt, antwortete sie, daß ihr das Spiel mit den Grenzen ihrer eigenen Abneigung Vergnügen bereite).
Ihre persönlichen Lieblingsdesigner sind Yohji Yamamoto, Commes des Garcons und Junya Watanabe.
Auf die Frage, wie sie den Fashion Navigator findet, machte Edwina Hörl einen sehr guten Vorschlag: Die Kleidung der Wiener!
Wie ist der Trend der Straße, was wird wirklich getragen.
„Traditionelle Dinge, die für ein Land sprechen. Der Hubertusmantel ist ein Wahnsinns-Ding von der Verarbeitung und vom Design - das ist wie für mich ein Chinesisches Jackerl -
davon kann man irrsinnig viel lernen. Das solltet Ihr im FASHION NAVIGATOR präsentieren“
Edwina Hörl
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